„Wir wollen eine fundierte religiöse Bildung ermöglichen“
Auftaktveranstaltung zur Erarbeitung curricularer Vorgaben für das neue Schulfach Christlicher Religionsunterricht
Startschuss für die Erstellung neuer curricularer Vorgaben: In Hannover haben sich knapp 50 Vertreter*innen aus verschiedenen Schulen, evangelischer und katholischer Kirche und dem Kultusministerium zu einem Fachtag getroffen, um mit den Vorgaben auch den Rahmen für den zukünftigen Unterricht abzustecken.
Was hier passiert, gleicht einer „Revolution“ – da waren sich die Beteiligten aus Kultusministerium und den beiden großen Kirchen in Niedersachsen einig. Immerhin geht es um die Einführung eines neuen Unterrichtsfachs: Zukünftig sollen Schüler*innen nicht mehr nach Konfessionen getrennt unterrichtet werden, sondern gemeinsam. Dafür wollen evangelische und katholische Kirche zusammen Verantwortung für einen Christlichen Religionsunterricht (CRU) übernehmen.
Dieses Vorhaben eines gemeinsam verantworteten christlichen Religionsunterrichts ist bundesweit einzigartig. Ministerialrat Peter Reinert vom Niedersächsischen Kultusministerium betonte, dass das Land Niedersachsen bereits vor 25 Jahren hinsichtlich des konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts „Vorreiter“ gewesen sei; dabei handelt es sich um eine Art Vorstufe des CRU, bei dem evangelische und katholische Schüler*innen gemeinsam unterrichtet werden können. Nun gehe das Land den nächsten Schritt. Künftig wird es ein einziges „Kerncurriculum“ für die bisher getrennten Fächer Evangelische und Katholische Religion geben, von dem her der Unterricht gestaltet wird. Dieses soll in den Klassen 5 – 10 zudem erstmals für alle Schulformen zugleich gelten. Dazu werden nun zunächst zwei Kommissionen für den Bereich Grundschule und Sekundarbereich I ihre Arbeit aufnehmen.
Für viele Menschen spielten Konfessionen kaum noch eine Rolle, unterstrich Oberlandeskirchenrätin Dr. Kerstin Gäfgen-Track, Bevollmächtigte der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen. Das habe nicht zuletzt die jüngste Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung gezeigt. „Der CRU kann darauf reagieren und bietet einen Raum für Austausch und Begegnung mit christlichem Denken und Handeln ebenso wie für den Dialog mit Schüler*innen anderer Konfessionen, Religionen und Weltanschauungen.“
Dr. Jörg-Dieter Wächter, Leiter des Bereiches Sendung im Bistum Hildesheim, ergänzte: „Unsere Welt ist vielfältig. Der CRU bringt unterschiedliche Perspektiven ins Gespräch und ermöglicht so den Schülerinnen und Schülern, mit verschiedenen Perspektiven umgehen zu können.“ Er sei dankbar für die Bereitschaft des Landes, den Weg der Kirchen mitzugehen. „Es geht uns nicht darum, den Einfluss der Kirchen in der Schule zu sichern, sondern darum, jungen Menschen eine fundierte religiöse Bildung zu ermöglichen.“
Professor Bernd Schröder von der Universität Göttingen und Professor Jan Woppowa von der Universität Paderborn nahmen die Anwesenden mit hinein in ihre Überlegungen, wie solche religiöse Bildung zukünftig gelingen kann. Dafür gelte es, die Balance zwischen der Orientierung an den Schüler*innen und der Vermittlung theologischer Inhalte zu wahren. „Wir haben die Riesenchance, unser Fach so zu konzipieren, dass es sowohl der heterogenen Schüler*innenschaft gerecht wird als auch den Reichtum christlicher Tradition fruchtbar machen kann“, sagte Schröder. „An erster Stelle stehen für uns nicht die Wahrheitsbestände der Kirchen, sondern die Adressaten“, beschrieb Woppowa diese Akzentverschiebung.
Mit Interesse verfolgten Tanja Voss von der Grundschule Atter in Osnabrück und Sarah Hansing von der evangelischen Grundschule Eichelkamp bei Wolfsburg die Diskussion; beide werden in der Kommission Grundschule mitarbeiten. Sarah Hansing freut sich auf die Aufgabe, den Religionsunterricht neu zu gestalten: „Dieser Tag heute hat mir gezeigt, wie viel kreatives Potenzial wir haben, wenn wir als evangelische und katholische Lehrkräfte Hand in Hand für die Umsetzung dieser Ideen arbeiten.“ Auch Tanja Voss hat große Erwartungen an das Fach CRU: „Auf diese Weise können wir den Religionsunterricht wieder attraktiver machen!“
Ein Jahr Arbeit liegt nun vor den beiden Kommissionen, bevor möglichst im Sommer 2025 die erste Stunde Gemeinsam verantworteter christlicher Religionsunterricht erteilt werden soll. Für diesen Weg wollen die Kirchen den Lehrkräften den Rücken stärken. Kerstin Gäfgen-Track machte den Kommissionmitgliedern Mut: „Sie alle sind Expert*innen. Sie wissen, wie man schwierige theologische Themen in die Gegenwart überträgt. Sie geben ein klasse Bild von Kirche ab!“
Text:
Dr. Michaela Veit-Engelmann, Landeskirche Hannovers