Vom Klassenzimmer auf die Weltbühne?

Nachgefragt #42

Dr. Jörg-Dieter Wächter verabschiedet sich Anfang Juni in den Ruhestand. Der Leiter des Bereichs Sendung hat eine beeindruckende berufliche Laufbahn hinter sich, die durch sein großes Engagement in der Bildung und insbesondere in der religiösen Pädagogik gekennzeichnet ist. Der gebürtige Osnabrücker absolvierte zunächst ein Doppelstudium der Theologie und Pädagogik in Münster. Er ist Autor vieler Publikationen, Mitglied diverser Arbeitsgruppen und hat in den vergangenen Jahren unzählige Vorträge gehalten.

Er hat sich viele Jahre nicht nur als Vorsitzender der KOLEISCHA (Konferenz der Leiterinnen und Leiter der Schul- und Bildungsabteilungen deutscher Bistümer) engagiert, sondern war auch im Vorstand des Forschungsinstituts für Philosophie Hannover tätig. Hinzu kommt eine Tätigkeit als Privatdozent für Allgemeine Erziehungswissenschaft an der Universität Hildesheim und als Berater in verschiedenen Kontexten. Wir haben mit ihm über seine Erfahrungen, Erfolge und Zukunftspläne gesprochen.

Herr Dr. Wächter,Sie sind bereits seit 1990 im Dienst des Bistums Hildesheim. Welcher Weg hat Sie hierher geführt?

In den 80er Jahren war die Arbeitsmarktlage sehr angespannt, weil die geburtenstarken Jahrgänge gleichzeitig auf Stellensuche waren. Ich hatte damals viele Soziale Seminare im Emsland durchgeführt, hatte Lehraufträge an der Uni Vechta und habe an der Uni Münster promoviert. Zuvor hatte ich Religionsunterricht an einer Berufsschule erteilt. Dass der damalige Leiter der Hauptabteilung Bildung im Generalvikariat, Dr. Wolfgang Riemann, einen Referenten für Religionspädagogik an Berufsschulen suchte, war für mich ein Glücksfall.

Zwischenzeitlich hatte mich die Pädagogische Hochschule in Karlsruhe abgeworben, so dass ich dort sechs Jahre in der Lehramtsausbildung gearbeitet und in der Zeit an der TU Karlsruhe habilitiert habe.

Anlässlich Ihrer Einführung in Ihr Amt als Hauptabteilungsleiter Bildung haben Sie damals gesagt: „Ich möchte Schule nicht verwalten, sondern gestalten.“ Wo ist Ihnen das besonders gut gelungen?

Für das unmittelbare Gestalten einer Schule ist unsere Organisation nicht zuständig und nicht in der Lage. Die katholischen Schulen im Bistum Hildesheim unterscheiden sich sehr deutlich, weil Schulform, Tradition und Ort wichtig sind. Der Schulträger kann einen Rahmen schaffen, der den einzelnen Schulen die jeweilige spezifische Profilierung ermöglicht.

Dieser Rahmen ist struktureller, finanzieller, rechtlicher, baulicher und personeller Art. In den vergangenen 21 Jahren habe ich mich immer um eine gute und auskömmliche Ausstattung für unsere Schulen bemüht. Aber ehrlicherweise muss man auch hinzufügen, dass für das Bistum die Mittel begrenzt sind und dass es immer wünschenswert gewesen wäre, mehr Spielraum für die Schulen zu haben.

Immerhin haben wir zum Beispiel in Bremerhaven eine neue Grundschule bauen und in Wolfsburg ein Gymnasium errichten können. Auch haben wir die St. Ursula-Schule in Hannover umfangreich erweitert. Aber wir haben auch drei Grundschulen in Bremerhaven geschlossen, die Don Bosco-Schule in Hildesheim in die St. Augustinusschule integriert, die St. Ursula-Schule in Duderstadt geschlossen und die Marienschule mit dem Josephinum fusioniert.

Sie waren in den vergangenen Jahren maßgeblich an der Planung eines bundesweit einzigartigen Faches, dem gemeinsam verantworteten christlichen Religionsunterricht (CRU), beteiligt. Zum Schuljahr 2025/2026 wird er nun an den Start gehen. Wie wird Ihrer Meinung nach der Religionsunterricht der Zukunft aussehen?

Der christliche Religionsunterricht antwortet auf die aktuellen Herausforderungen in den Schulen in Niedersachsen. Die konkrete Gestalt des Religionsunterrichts wird sich immer wieder ändern und an die Erfordernisse schulischer Bildung anpassen. Er wird sich in den Bundesländern unterscheiden, weil wir in Bayern andere konfessionelle Verhältnisse haben als in Hamburg. Er wird sich in den Schulformen unterscheiden, weil sie jeweils unterschiedlich profiliert sind. Er wird auch in Niedersachsen weiterentwickelt werden, weil der christliche Religionsunterricht nur eine mögliche zeitgemäße Antwort mit begrenzter Haltbarkeit ist. Der konfessionell-kooperative Religionsunterricht, der vor 25 Jahren in Niedersachsen entwickelt wurde, hat immerhin ein Vierteljahrhundert gut funktioniert. Das wird mit dem christlichen Religionsunterricht ähnlich sein.

Wir beide haben uns im Rahmen der Schulfusion zum Mariano-Josephinum kennengelernt. Wie ist der Stand der mit der Schulfusion verbundenen Bauvorhaben heute?

Mit der Zusammenführung der beiden Schulen wurde eine Vorgabe des Bischöflichen Rates umgesetzt, mit der das Vorhaben einer umfassenden Sanierung der Schulgebäude verbunden war. Die Strukturmaßnahme ließ sich rascher realisieren als das Bauprojekt.

Für das Bauprojekt wurde ein Lenkungskreis gegründet, der den Fortschritt begleitet und steuert. Außerdem wurde eine externe Firma mit der Projektsteuerung beauftragt. Der Lenkungskreis wird regelmäßig über den Fortgang des Projektes unterrichtet. Die Planer des sehr komplexen Prozesses arbeiten eng mit der Schule zusammen, so dass die schulischen Bedarfe und die bauliche Umsetzung gut aufeinander abgestimmt werden.

Zwischenzeitlich hat es im Baugewerbe eine erhebliche Kostensteigerung gegeben, so dass unsere Planer sowie die Projektsteuerer sorgfältig prüfen mussten, in welchem Zeitrahmen und in welchem Umfang die Bauvorhaben realisiert werden können. Im Ergebnis wird gegenwärtig damit gerechnet, dass das Gesamtprojekt trotz leichter Verzögerungen termingerecht abgeschlossen werden kann.

Katrin Gladen hat zum 1. Dezember 2023 die Leitung der Abteilung Schule und Hochschule von Ihnen übernommen. Was war Ihnen bei der Übergabe dieser Aufgabe besonders wichtig?

Mit Frau Gladen konnte das Bistum eine exzellent vernetzte und sehr kenntnisreiche Leiterin für die Abteilung Schule und Hochschule gewinnen. Frau Gladen hat Erfahrungen im Bereich der Administration und der schulbezogenen Fortbildung, sie hat wissenschaftlich an der Universität gearbeitet und hat im kirchlichen Dienst Fortbildungen organisiert und durchgeführt. Die Aufgabe der Abteilungsleitung ist außerordentlich vielfältig. Ich bin sehr froh, dass Frau Gladen dafür die einschlägigen Voraussetzungen mitbringt. Sie ist sowohl für die Religionspädagogik als auch für die katholischen Schulen bestens aufgestellt. Mir war wichtig, die neue Kollegin in verschiedene Kontexte einzuführen und sie mit den komplexen Herausforderungen der Aufgabe vertraut zu machen.

Sie leiten seit Dezember 2022 den Bereich Sendung gemeinsam mit Rat Dr. Christian Hennecke. Welche Erfahrungen haben Sie in dieser Konstellation einer „Doppelspitze“ gemacht?

Die größte Herausforderung war und ist sicher, dass die Schulabteilung eine völlig andere Kultur und Arbeitsweise als die Pastoral hat. Insofern gab es am Beginn der Zusammenführung der Hauptabteilungen Pastoral und Bildung viele Fragen und auch Widerstände und Kritik. Wir sehen aber inzwischen deutlich, dass in der Fusion Chancen und Perspektiven liegen. Die Zusammenarbeit mit Dr. Hennecke war und ist ausgezeichnet. Wir arbeiten mit vollem gegenseitigem Vertrauen, mit Bereitschaft zu konstruktiver Kritik und großer Offenheit zusammen. Ich schätze Dr. Hennecke persönlich und inhaltlich sehr und empfinde das Miteinander als Bereicherung.

Nicht nur im Bereich Bildung waren Sie visionär unterwegs. Im vergangenen Jahr haben Sie gemeinsam mit Rat Dr. Christian Hennecke elf Thesen zur Zukunft unseres Bistums entwickelt und den Kolleginnen und Kollegen im Rahmen des Tags der Dienstgemeinschaft im November 2023 vorgestellt. Wie ist es mit Ihren Entwürfen weitergegangen?

Man darf nicht bei Visionen stehenbleiben, denn Visionen klingen zwar gut, sind aber nicht falsifizierbar. Deshalb haben wir uns mit den Thesen zunächst um eine Entfaltung der Wegmarken des Bischofs bemüht. Inzwischen sind die dort formulierten Vorstellungen zur Zukunft unseres Bistums weiter konkretisiert worden und werden gegenwärtig in einem Strategieprojekt in Zielbilder überführt, aus denen man dann konkrete Maßnahmen ableiten kann.

Die zentrale Frage lautet: Wie können wir heute das Evangelium verkünden? Für mich als Verantwortlichem für Schule und Bildung ist die katholische Schule eine Möglichkeit, die Botschaft vom menschenfreundlichen Gott sichtbar und erfahrbar werden zu lassen. Mit unseren Schulen erreichen wir an jedem Tag über 6.000 Schülerinnen und Schüler. Wir begleiten sie auf ihrem Weg ins Erwachsenwerden und helfen ihnen, die Welt zu verstehen, eigene Vorstellungen zu entwickeln und die Zukunft verantwortlich zu gestalten. Das ist nach meiner Meinung eine überzeugende Weise, das Evangelium zu verkünden.

Sie sind auch musikalisch sehr engagiert. Als Mitglied der Gruppe „wenos-weltmusik“ durften wir Sie bereits mit Violine, Ukulele und Gesang auf dem Domhof erleben. Geht es jetzt auf große Welttournee?

Die Musik zählte im mittelalterlichen Bildungskanon zu den sieben freien Künsten. Sie war als freie Kunst nicht auf Erwerbstätigkeit bezogen und somit konstitutiv für die Bildung eines freien Bürgers. Die Musik und die Bildung sind also nicht weit voneinander entfernt. Für mich hatte die Beschäftigung mit Musik allerdings eher eine stressreduzierende und ausgleichende Bedeutung, weil die musikalische Hingabe an ein Bachkonzert alle Misshelligkeiten des beruflichen Alltags vergessen macht.

Wenn man damit auch anderen eine Freude machen kann, ist das eine gute Sache. Musik ist nicht nur für den Einzelnen da, sondern sie soll auch Gemeinschaft erzeugen, Freude machen, Genuss und vielleicht sogar neue Höreindrücke ermöglichen. Wenn uns das mit unserem kleinen Ensemble gelingt, haben wir unser Ziel erreicht.

Auf Welttournee gehen wir allerdings nur dann, wenn es uns gelingt, Taylor Swift als Vorgruppe zu verpflichten.

Was planen Sie außerdem für die kommenden Jahre, damit Ihnen nicht langweilig wird?

Reisen, Fahrradfahren, Kultur, Familie, Freunde und vielleicht ein bisschen wieder mit dem (erziehungs-)wissenschaftlichen Publizieren anfangen. Erstmal werde ich aber sicher die neugewonnene Freiheit genießen. Darauf freue ich mich!

Herr Dr. Wächter, für Ihre Pläne wünschen wir Ihnen alles Gute und bedanken uns herzlich für diese spannenden Einblicke!

Das Gespräch führte Cornelia Hanne, Referentin für Interne Kommunikation.