Über katholische Weite

Am 1. Januar hat die Katholische Akademie des Bistums das Tagungshaus am Platz an der Basilika in Hannover übernommen. Das wurde nun mit einem großen Fest gefeiert.

„Dialoge anzetteln, Räume eröffnen, Haltung einbringen“, so fasst Direktor Thomas Harling in drei Stichworten die Idee der Katholischen Akademie des Bistums Hildesheim zusammen. Jetzt an einem neuen Ort: Ganz offiziell hat die Akademie das Tagungshaus St. Clemens im Herzen von Hannover übernommen.  

Feierlich war es bei der Übernahme: ein Festvortrag von Claudia Nothelle, Professorin für Fernseh-Journalismus an der Hochschule Magdeburg-Stendal und Vizepräsidentin des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, Vertreter*innen aus Politik, Gesellschaft und natürlich Bischof Heiner Wilmer. Kurze Talks, Kultur, Musik, verbunden mit Einblicken in die Arbeit einer Akademie. Der Anlass: Formal mit dem 1. Januar war das renommierte Tagungshaus St. Clemens von der Katholischen Kirche in der Region Hannover in die Trägerschaft der Katholischen Akademie des Bistums Hildesheim übergangen. Nun das große Fest. Einhellige Meinung: Eine Akademie braucht ein Tagungshaus und das Bistum eine Akademie. 

Aber warum eigentlich? In Talkshows im Fernsehen wird täglich über die Probleme der Welt geredet, Podcasts im Stream lassen keine Antwort und soziale Medien keine Meinung aus. Für Harling dagegen schafft die einen Raum, in dem Menschen im direkten Kontakt zusammenkommen und Perspektiven austauschen: „Das schafft Brücken.“ Wichtig sei, dass nicht wie in Talkshows überwiegend Meinungen zu Wort kommen, sondern Fachwissen auf der Höhe der Zeit – sowohl aus der Wissenschaft als auch von Sachkundigen aus der Praxis.

Wissen ist dabei das eine, die Haltung das andere: Katholisch ist für Harling nicht nur ein Adjektiv im Namen: „Wir verstehen katholisch im ursprünglichen Wortsinn als allumfassenden Zugang zu Themen, Fragestellungen und Menschen.“ Realitäten, die sich immer nur als Ausschnitt zeigen, werden in einen größeren Zusammenhang gestellt. „Wir wissen, dass es Wirklichkeiten gibt, die sich der Beschreibung entziehen und trotzdem beschrieben werden müssen“, erläutert Harling. Katholisch bedeutet daher, eine Haltung einzunehmen der Verbundenheit und Empathie mit allem, was lebt. 

Die Haltung, die christlich-jüdische Tradition, der Glaubensschatz, die Grundlage des christlichen Menschenbildes – all das bringe die Katholische Akademie in das Konzert der Bildungslandschaft und in die Debatten einer Landeshauptstadt ein. Gleichzeitig werden gesellschaftliche Fragen auch in die Kirche zurückgetragen. „Das entspricht dem Charakter unserer Katholischen Akademien: Wir sind Orte, an denen freies Denken und offene Worte möglich sein.“ Das war nach der Erfahrung der menschenverachtenden NS-Diktatur eine Antwort der Kirchen – offenes Nachdenken und Reden. Damit könne eine katholische Akademie anders als andere Bildungsorte Themen setzen, die als vermeintlich weniger wichtig gehalten werden. Fragen, die es nicht in die Talkshows schaffen.

Die Weite des Katholischen nimmt Harling ganz wörtlich, sowohl räumlich als auch virtuell: Mit Online-Angeboten im Internet können Interessenten von zu Hause aus an Bildungsveranstaltungen teilnehmen: „Damit können wir Barrieren, was Zeit und Mobilität betrifft, abbauen.“ Einzelne Veranstaltungen wie große Podiumsdiskussionen werden im Internet als Stream live übertragen. 

Gleichzeitig ist die Akademie räumlich nicht nur an Hannover oder dem benachbarten Hildesheim gebunden: „Wir Satellitenakademien in den Universitätsstädten im Bereich des Bistums einzurichten.“ Zudem zeigt sich Harling für Kooperationen offen: „Mit mindestens zwei lokalen Akteur*innen führen wir Veranstaltungen durch, die für den Ort, aber auch das ganze Bistum von Bedeutung sind.“ Ein Beispiel: die kürzlich erfolgte Podiumsdiskussion „Zuversicht in schweren Zeiten – Was gibt gesellschaftlich Engagierten Hoffnung?“. Hier hat die Akademie unter anderem mit der Pfarrgemeinde St. Bernward in Lehrte zusammengearbeitet. Solche Formate würde Harling gerne ausbauen, um als Akademie auch in der großen Fläche des Bistums zwischen Nordsee, Harz und Weser präsent zu sein.

Katholisch weit sind zudem die Dialoge, die Harling mit dem Team der Akademie und Kooperationspartnern anzetteln möchte: Da ist die Veranstaltungsreihe „Kirche und Theologie que(e)r gelesen“ in Zusammenarbeit mit dem „NetzWerk ChancenGleich“ weitergeführt wird, verbunden mit flankierenden Veranstaltungen zum Thema Gender. „Ende des Gemeinwohls? – Freier Markt und demokratische Zivilgesellschaft“ ist ein mehrtägiges Seminar im November überschrieben. Angedacht ist eine Veranstaltung zu Künstlicher Intelligenz und Kirche. „Natürlich beschäftigt uns der Rechtsruck in der Gesellschaft und wir befassen uns mit Wegen, die Demokratie zu stärken und verfassungsfeindlichen Kräften entgegenzutreten.“ Für das kommende Jahr plant die Akademie die von Hugo von Hofmannsthal stammende Tragödie „Jedermann“ als Open-Air-Theater vor der Basilika St. Clemens aufzuführen. 

Dieses „Spiel vom Sterben des reichen Mannes“, in dem unter anderem Gott, der Teufel und der Mammon auftreten ist zugleich ein Projekt, mit dem die Akademie in die Nachbarschaft zur Basilika St. Clemens einrückt: „Wir möchten helfen, diesen sehr katholischen Ort in Hannover weiter so profilieren“, betont Harling. 

Aber warum braucht eine Akademie nun doch ein eigenes Tagungshaus? „Wir haben dadurch einen festen Ort, an dem wir Gastgeberin sein können“, unterstreicht Harling. Das stärkt und ermutigt zu Dialogen und Begegnungen. Es betont den offenen Raum für ebenso offene Debatten. Doch diese Offenheit kann und soll weitergetragen werden: „Wir werden weiterhin an andere Orte in Hannover und im ganzen Bistum gehen, wenn das Thema einen anderen Rahmen als den des Tagungshauses verlangt.“ Katholische Weite.

  • Die Akademie des Bistums Hildesheim besteht im Kern seit 1958 und war bis 2021 in Goslar mit dem Namen „St. Jakobushaus“ angesiedelt. Mit dem Umzug nach Hannover soll sich die Akademie nicht nur in den gesellschaftlichen Diskurs der Landeshauptstadt einbringen, sondern auch bistumsweit „katholische Positionen in gesellschaftsrelevante Themen eintragen“, wie es Bischof Heiner Wilmer umschreibt. Thomas Harling ist seit Oktober 2023 Direktor der Akademie. Zusammen mit einem Team aus fünf Referent*innen und sechs weiteren Mitarbeiterinnen in Tagungsmanagement, Verwaltung, Haustechnik und Hauswirtschaft will er die Leitidee der Akademie umsetzen: „Das Gespräch, weiterführend, streitbar, konstruktiv.“

Rüdiger Wala