Ohne Falten, aber mit Ecken und Kanten
60 Jahre Katholische Familienbildungsstätte Hannover
Die Katholische Familienbildungsstätte Hannover wird 60 Jahre alt. Wie fühlt man sich als vermeindlich "Alte Dame"? Fragen an die Fabi-Leiterin Maria Hasler.
Glückwunsch zum 60. Geburtstag. Wie fühlt man sich denn als jung gebliebene Dame? Wie war der Tag der offenen Tür am 8. März?
Danke, gut. Die Fabi ist wirklich jung geblieben. Sie orientiert sich immer daran, was Menschen in verschiedenen Lebenslagen in einer Zeit wie dieser brauchen. Somit ist sie seit 60 Jahren immer topaktuell und hat kaum Falten, aber sicher markante Ecken und Kanten. Gefeiert haben wir bunt und trubelig: mit Saz-Musik, Pub-Quiz, Mantra-Singen und Vorträgen zu Pop-Kultur der 1960-er Jahre sowie zu Erziehung und Gesundheit für Erwachsene. Kleinkinder konnten sich im Bewegungsparkour auspowern oder Riesenseifenblasen im Hof machen. Für Kinder im Grundschulalter hatten wir unter anderem Upcyclingworkshops und naturwissenschaftliche Experimente im Angebot. Natürlich gab es für alle etwas zu Essen aus unserem Kochstudio.
Gefeiert wurde am internationalen Weltfrauentag. Warum?
Die Fabi wurde von besonderen Frauen geprägt, die uns zu dem haben werden lassen, was wir heute sind: eine moderne, offene Einrichtung der Familienbildung mit Angeboten in Hannover und in der ganzen Region. Wir sind ein Haus für alle Generationen, von den praktischen Hilfen nach der Geburt bis zu Begegnungsmöglichkeiten für alte Menschen, auch und gerade aus unterschiedlichen Kulturkreisen – und es sind auch heute immer noch besondere Frauen, die die Einrichtung prägen.
Dann jetzt der Blick: von der Mütterschule vor sechs Jahrzehnten zur Familienbildungsstätte. Diese Entwicklung ist doch mehr als nur ein anderer Name auf dem Klingelschild? Welche besonderen Frauen waren damit verbunden?
1964 wurde in Hannover der Verein „Katholische Mütterschule“ gegründet, um junge Mädchen und berufstätige junge Frauen auf ihre Rolle als Hausfrau, Ehefrau und Mutter vorzubereiten. 1968 wurde Karla Pachowiak die erste Leiterin der „Katholischen Mütterschule“, die 1972 durch die Erbauung des Bischof-Steffani-Hauses in der Goethestraße 31 nicht nur eigene Räume, sondern auch einen neuen Namen bekam: Katholische Familienbildungsstätte. Der Blick richtet sich jetzt auf die ganze Familie. Erziehungskurse und Rollengestaltung also für Mütter und Väter, sowie Partnerschaftskurse halten Einzug ins Programm. Hier entsteht der Grundstein für die Arbeit von heute: Aspekte von Ganzheitlichkeit, Flexibilität und Prozesshaftigkeit ebenen den gedanklichen Weg von der Familie zu verschiedenen Lebensformen; alle Menschen finden einen Platz in der Fabi. Ein Weg vom festen Programm zur offenen Arbeit mit Menschen im Hier und Jetzt.
Der Name sagt es ja: Familienbildung ist die große Leitlinie. Familienbildung oder klassisch „Kinder erziehen“ ist ein Thema, zu dem so ziemlich jeder und jede eine Meinung hat – in einer großen Spannweite von, sagen wir, streng bis frei. Wovon lässt sich die Fabi bei ihren Unterstützungsangeboten leiten?
Familienbildung hat eine gesetzliche Grundlage: Durch sie, so wird es im Sozialgesetzbuch beschrieben, sollen Familien in allen ihren Lebenssituationen unterstützt und gestärkt werden. Das gilt es (aber?)mit Leben zu füllen. Wir setzen auf das Verbundensein. Das heißt: Sich nicht allein von Influencern, Internetratgebern oder vom Mainstream leiten zu lassen. Sondern im aktiven Austausch mit „echten“ Müttern und Vätern zu sein und zu lernen, dem eigenen Bauchgefühl wieder zu vertrauen. Durch die Begegnung in der Fabi lernen Mütter, Väter und Erziehende Gleichgesinnte kennen, tauschen ihre Erfahrungen aus und können sich vernetzen. Unser Elterntreff bietet zum Beispiel die Chance, eigenverantwortlich Treffen zu organisieren und so Familienbildung aktiv mitzugestalten. Mütter bilden sich in der Fabi fort, erhalten Inspiration und nutzen diese, um sich beruflich zu orientieren. Kinder erkennen und stärken ihre kreativen, musikalischen und sozialen Kompetenzen in Angeboten, die sie mit oder ohne ihre Eltern besuchen. Väter werden mit und für ihre Kinder jenseits der familiären Umgebung aktiv. Sie nutzen die Möglichkeit, sich mit anderen Vätern auszutauschen und zu vernetzen.
Noch eine Frage, die sicher immer wieder gern gestellt wird: Was ist denn das Katholische an der Familienbildungsstätte?
Wir möchten Menschen stärken. Denn das ist der Auftrag des Evangeliums: Menschen zu stärken, damit Leben gelingt. Das betrifft nicht nur das eigene Leben, sondern auch die gesellschaftlichen Verhältnisse, um auf das Verändern von Bedingungen hinzuwirken, unter denen das Leben nicht gelingt. In unseren Arbeitsalltag in der Calenberger Neustadt im Herzen Hannovers übersetzt heißt das für uns, Menschen in verschiedenen Lebenslagen durch ihre verschiedenen Lebensphasen so zu begleiten, dass sie am gesellschaftlichen Leben teilhaben und es mitgestalten.
Zu den eher klassischen Kursen einer Fabi sind im Laufe der Jahre auch Projekte hinzugekommen, die einen Gutteil der Arbeit ausmachen? Welche Akzente wurden, welche werden jetzt gesetzt?
Unser Elterntreff in der Calenberger Neustadt und das Projekt „wellcome“, dessen Landesbüro bei uns angesiedelt ist, sind zwei Beispiele, die eines verbinden: Wir möchten unsere „Gehstruktur“ verstärken. In unserem Elterntreff sind alle Angebote kostenfrei und als offenes Angebot, ohne Anmeldung konzipiert: Spielgruppen, Baby-Café, Deutschkurse und immer ein offenes Ohr für Fragen und Beratung. Bei „wellcome“ unterstützen Ehrenamtliche Eltern in den ersten Monaten nach der Geburt eines Kindes. Ganz praktisch, ob nun beim ersten Baby oder sechsten Kind. Allein in Hannover und Garbsen unterstützten derzeit 56 Ehrenamtliche etwa 65 Familien mit Babys. Darunter acht Familien mit Zwillingen. Über uns sind ehrenamtliche Lesepat*innen zum Vorlesen in rund 20 Kindertagesstätten in der Stadt und der Region Hannover unterwegs. Beim Projekt „Tandem“ treffen sich türkische und deutsche Seniorinnen, die sich sonst kaum begegnet wären. Im Nähcafé für Geflüchtete kommen Frauen in einer Flüchtlingsunterkunft zusammen: Das ist ein besonderer Treffpunkt für Selbsthilfe.
Zum Jubiläum sind ehemalige oder aktive Teilnehmende aufgerufen, „ihre Geschichte mit der Fabi zu erzählen“. Was steckt hinter diesem Aufruf?
Unser Haus ist ein Ort des Verbundenseins und der Heimat. Das erkennen wir vor allem daran, dass Menschen gern hierherkommen und in der Regel vor allem eins tun: Wiederkommen. Egal ob als kursleitende oder teilnehmende Person, manche von ihnen kommen seit vielen Jahrzehnten. Da gibt es viele Geschichten zu erzählen, die wir sammeln möchten. Um zu hören und um uns und andere auch in der Zukunft erinnern zu können, was für ein segensreicher Ort wir sind. Zu hören sind diese Geschichten bei unserem Jubelabschluss am Freitag, 15. November: Wir beginnen um 12:00 Uhr mit einem Gottesdienst in der Basilika und im Anschluss gibt es das Erzählcafé.
Trotz Jubiläum läuft das „normale“ Tagwerk der Fabi weiter, ein dickes Programm mit über 200 Angeboten liegt vor. Mal orakelt: Welche Kurse werden wohl besonders gut gebucht werden?
Gut gebucht sind immer unsere Delfi-Kurse, ein Spiel- und Bewegungsangebot für Babys ab der sechsten Lebenswoche. Gleiches gilt für den „Musikgarten“, bei dem Kindern durch Singen und Bewegen, durch Klanghölzer und Trommeln spielerisch mit Musik vertraut gemacht werden. Große Nachfrage gibt es auch beim Kochen und Schneidern, aber auch bei unseren Angeboten Literaturangeboten.
Und welches sind die Angebote, die Nutzer*innen besonders ans Herz gelegt werden?
Zum Beispiel „Stadt erleben“: Das sind Stadtführungen im Herzen von Hannover, die besondere kulturelle und religiöse Fragen in den Blick nehmen, die die sichtbare und verloren gegangene Geschichte um uns herum erlebbar machen. Nachhaltigkeit ist ein weiteres Thema, zu dem wir anregen möchten. Unter dem Stichwort „Recy“ haben wir verschiedene Angebote zusammengefasst – auch für unsere Woche für das Klima, die wir im Juni anbieten. Ein besonderes Herzensprojekt von uns sind sowohl die Segensfeiern für werdende Eltern und Familien als auch die Kurse, mit denen sich junge Menschen Gedanken vor ihrer kirchlichen Trauung machen. Und ein Letztes: Gern konzipieren wir auf Anfrage Angebote für KiTas, Kirchengemeinden, Teams und andere. Sprechen Sie uns gerne an.
Fragen: Rüdiger Wala