Kanavu – Träumen erlaubt

Kanavu ist das tamilische Wort für Traum. Ein Traum war nicht nur unsere Reise nach Indien vom 9. bis zum 22. Juli, sondern vor allem ist dies die Vision, die der Verein Indien e. V. in Zusammenarbeit mit unserer Schule für die Projekte in Indien hat.

13 Personen umfasst unsere bunte Reisegruppe, die unter anderem aus 3 Lehrern und 4 Schülern unserer Schule besteht.  Wir haben in Neerpair, in der Nähe von Chennai, unsere Partnerschule „Dr R. Arulappa Higher Secondary School“ besucht. Überwältigt waren wir von dem herzlichen Empfang und dem vielfältigen Programm, das für uns vorbereitet worden war. Beeindruckt waren wir von dem Lerneifer und insbesondere der Auseinandersetzung mit neuen Technologien im Unterricht. Auch wenn die Ausstattung der Unterrichtsräume nicht unseren Deutschen Standards entsprechen, schaffen jedes Jahr 120 Schüler das Abitur. Zahlreiche Beispiele belegen, dass sie mit ihren erworbenen Kenntnissen konkurrenzfähig sind auf dem internationalen Markt.

Im angrenzenden Wohnheim leben viele Kinder, die verwaist sind oder die von ihren Eltern nicht ausreichend ernährt werden können. Sie bekommen hier die Chance auf eine Schulbildung, die ihnen ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht, so dass sie nicht auf der Straße leben müssen. Bedrückend ist die Atmosphäre nicht, eher haben wir den Eindruck, dass Kinder überall gleich sind. Sie lachen und machen ihre Späße untereinander. Am liebsten hätten alle Kinder ein Foto mit einem der weißen Europäer.

Am nächsten Tag geht es in Chennai zum „Cheer“, einer Art Begegnungszentrum, das sowohl Platz zum Wohnen als auch Möglichkeiten zum ungestörten Studieren bietet. Hier erhalten Schüler aus der Schule, die besonders begabt sind, die Möglichkeit, Unterstützung für ein Studium zu erhalten. Die Atmosphäre in Cheer ist beeindruckend. Wir treffen fleißige Studenten, aber auch Absolventen der Universität: Wir lernen unter anderem einen Mathematikprofessor kennen, eine IT-lerin und eine Chemikerin.

Der Bischof von Chengleput, Dr. Neethinatan, hatte uns zum Mittagessen ins Bischofshaus eingeladen, um  sich für die jahrzehntelange Hilfe von Aktion Indie e. V.  insbesondere für die Dr. Arulappa High School und das Wohnheim zu bedanken. Am Grab von Fr. Suresh neben dem Bischofshaus Blumen und Kränze niederzulegen, war für alle ein bewegender Moment.

Nachmittags fuhren wir weiter in die Tempelstadt Kancheepuram und besichtigten den größten indischen Tempel, der aus dem 9. Jhdt. stammt.

In dem von Jesuiten geführten Loyola College, das mit 11.000 Studenten zu den besten Colleges Indiens gehört,  erfuhren wir in einem gut vorbereiteten Vortrag  einiges über die Kultur in Indien, aber besonders auch einiges über die Schwierigkeiten. Unter anderem hörten wir, dass es starke Bestrebungen gibt, die in der Verfassung festgelegte Säkularität des indischen Staates zu Gunsten einer hinduistischen Staatsreligion zu streichen.

So vorbereitet reisten wir nach Kadambur in die Sathyamangalam Berge, 600 km westlich von Chennai.

Dort besuchten wir die Dörfer Makapallayam und Gundri, die in einem Reservat liegen. Die Jesuiten kümmern sich hier um die christlichen Gemeinden und leisten Sozialarbeit. Aktion Indien eV. finanziert die Abendschulen für die Kinder in 50 umliegenden Dörfern. Hier bekommen ca. 1000 Kinder Hilfe beim Lernen und den Hausaufgaben. Viele Kinder kommen zum Unterricht, weil es hier eine kleine Mahlzeit gibt, z.B. ein Glas Milch und ein paar Nüsse. Wir sind beeindruckt vom Selbstbewusstsein der Frauen, die uns hier begegnen. Sie müssen oft die Familie allein ernähren. Auch ihre Kinder strotzen vor Selbstbewusstsein und Unabhängigkeit. Bei genauerem Hinschauen sehen wir jedoch auch die schwieligen Hände der Frauen und das von Leid und Entbehrung gezeichnete Gesicht. Alle im Dorf sind sehr stolz auf drei ihrer „Kinder“, die es geschafft haben, als Studenten im Loyola-College, eine der besten Universitäten in Indien, aufgenommen zu werden.

Nach der Rückkehr aus den Bergen lud uns der Provincial der Jesuitenprovinz Chennai, Dr. Jebamalai, zu einem Abendessen im Loyola College ein. Er bedankte sich herzlich für unsere Hilfe in Kadambur.

Am Ende der Fahrt bekommen wir eine Führung in einer innovativen Startup IT-Firma „Facilio“. Hier wird gerne Absolventen unserer Partnerschule eine Stelle angebote. Ob sie zur untersten Gesellschaftsschicht der Dalits gehören, spielt hier keine Rolle. Der Gründer ist selbst ein Dalit; in der Firma zählt nur Leistung. Das moderne und wohlhabende Indien, das uns hier begegnet, steht im deutlichen Gegensatz zu dem, was wir bisher gesehen und erlebt haben. Hier wird uns deutlich, dass der Traum für Indien wahr werden kann.

Nach 12 erlebnisreichen Tagen verlassen wir Indien wieder. Unsere Herzen sind erfüllt, unser Horizont deutlich erweitert. Kanavu- der Traum geht weiter…

Cordula Witte