An der Seite der Frauen
Glaubensgeschichten II
Ostern endet nicht mit der Auferstehung. Im Gegenteil – die Osterzeit fängt dann erst an. Eine Zeit, die das Leben feiert. Feiert eine Hebamme das Leben? Ein Frage an Ulla Konrath, die sich auch im Dekanatspastoralrat Hannover auf vielfältige Weise engagiert.
Ulla Konrath ist seit fast einem Vierteljahrhundert Hebamme. Ihre Berufsbezeichnung kommt aus dem Althochdeutschen: Hebina. Meint übersetzt etwa so viel: Die, die das Kind aufhebt und weitergibt, erläutert die 53-Jährige, die selbst drei Söhne hat.
Das Leben feiern macht das eine Hebamme? Natürlich, antwortet Ulla Konrath. Aber mit einer Einschränkung: Nicht wir bringen das Leben auf die Welt, sondern die Mutter, die Eltern des neugeborenen Kindes. Das ist ein freudiger Moment. Und dieser Moment ist hochinfektiös, beschreibt sie ihre Erfahrung und lächelt. Ein Kind ist ein wunderbares Geschenk und der Beginn einer besonderen Bindung. Ulla Konrath hat diese Bindung auch selbst erfahren: Was Eltern alles leisten müssen, der Schlafentzug, die mindestens 20 Jahre Treue zu einem Menschen, der sich zwischendurch unmöglich benimmt. Das ist die besondere Qualität dieser Bindung, dieses wunderbaren wie wundersamen Geschenks.
Ihren Anteil als Hebamme, ihren Anteil an dieser Feier des Lebens, sieht Ulla Konrath darin, Bindungsmomente zu fördern: Das ist entscheidend, in der Schwangerschaft, bei der Geburt und danach in der Betreuung und der Stillanbahnung. Was unerwartet klingt: Ich stehe dabei nicht auf der Seite der Kinder. Das mache die Mutter. Ich stehe radikal an der Seite der Frau, stellt Ulla Konrath heraus. Die Tätigkeit als Hebamme ist in ihrem Verständnis immer auch Frauen- wie Sozialarbeit. Oder um es klipp und klar zum Ausdruck zu bringen: Eine Frau, die Hebamme werden möchte, weil sie Kinder so gern mag, ist fehl am Platz. Erzieherin und Lehrerin seien auch schöne Berufe.
Diese Position an der Seite der Frauen hat für Ulla Konrath zwei Gründe. Zum einen: Die Frauen müssen mir vertrauen können. Egal, ob der Mann im Kreißsaal nicht der richtige Vater ist, egal in welcher sozialen Lage sich eine werdende Familie befindet: Ich bin weder das Standesamt noch die Polizei, sondern lediglich die absolut parteiische Hebamme. Nur so baut sich Vertrauen auf, unterstreicht Ulla Konrath. Sie verweist auf ihre Erfahrungen als Familienhebamme in der Stadt Hannover, bei der sie sich gerade um werdende Eltern gekümmert hat, die sich in belastenden oder kriselnden Lebenssituation befinden. Diese Sichtweise und Erfahrungen bringt sie auch in den Dekanatspastoralrat Hannover ein der gewählten und berufenen Vertretung der Ehren- und Hauptamtlichen in der Katholischen Kirche in der Region Hannover.
Zum anderen: Das oftmals beschworene Wunder des Lebens verlange Frauen körperlich und seelisch Kräftezehrendes ab. Schwangerschaft, Geburt, Stillen Frauen gehen einmal durch eine komplette Wandlung, beschreibt sie: Sie geben alle ihre Kräfte ab, um neues Leben auf die Welt zu bringen das ist ein bisschen wie Ostern. Hier und mit der Radikalität an der Seite der Frauen zu stehen, decken sich die Erfahrungen ihres Berufslebens mit Glauben und berzeugung einer engagierten Katholikin.
Das Leben feiern ist für Ulla Konrath kein Moment, sondern ein Prozess: Feiern heißt, nicht daran festzuhalten, sondern das Leben weiterzugeben. Deshalb ist Raum geben für Vertrauen durch Parteinahme so wichtig: Mütter, aber auch die Väter brauchen die Zuversicht, dass sie mit einem Kind auch die Fähigkeit geschenkt bekommen, das veränderte Leben zu meistern. Sie benötigen die Gewissheit, Menschen zu finden, die ihnen helfen, das zu schaffen. So drückt es die Hebamme aus. Oder: Vertrauen in Gottes Beistand und in Nächstenliebe. Zwei sinngleiche Beschreibungen, wie das Leben zu feiern ist.
Hier finden Sie Folge I unserer Glaubensgeschichten: "Da steckt Seele drin"
Rüdiger Wala