"Alle wieder zu Hause"
Einsatz des Malteser Hilfsdienstes
Kampfmittelfund und Evakuierung in Hannover-Misburg: Ehrenamtliches Team des Malteser Hilfsdienstes versorgt Anwohner*innen in Sammelunterkunft mit Getränken, Suppe und aufmunternden Worten.
Kurz vor Mitternacht kann Christian Cossmann aufatmen: „Alle wieder zu Hause“. Alle – das meint nicht nur die insgesamt 34 Malteser*innen aus Hannover, Hildesheim, Celle, Göttingen und Braunschweig, hinter denen ein langer Tag lag. Sondern auch die gut 220 Bürger*innen aus dem Hannoverschen Stadtteil Misburg, um die sich Team von Ehrenamtlichen über zehn Stunden lang gekümmert hat.
Cossmann ist bei den Maltesern Hannover stellvertretender Leiter der Einsatzdienste. Um zehn Uhr wurden die Schnell-Einsatz-Gruppen alarmiert. Bei Bauarbeiten im Stadtteil Misburg wurde am Vorabend eine Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden – ein Blindgänger. Das rief zunächst die Spezialisten des Kampfmittelbeseitigungsdiensts auf den Plan. Weitere Sondierungen wurden durchgeführt. Das Ergebnis: eine weitere Fliegerbombe wurde ausgemacht. Zweimal zehn Zentner Sprengstoff.
Keine Seltenheit in einer durch den Krieg so zerstörten Stadt wie Hannover. Mehr als 23000 Tonnen Bomben sollen bei rund 129 Angriffen über Hannover abgeworfen worden sein. Nicht alle Kampfmittel sind explodiert – Expert*innen gehen von einer Quote von 10 Prozent aus. Die Blindgänger sind eine erhebliche Gefahr. Bisherige Kampfmittelfunde haben deutlich aufgezeigt, dass die Sprengmittel ihre Brisanz nicht eingebüßt haben. Damit ist klar: Ehe die Bomben entschärft oder kontrolliert zur Explosion gebracht werden können, müssen die im Umkreis lebenden Hannoveraner*innen in Sicherheit gebracht und versorgt werden.
„Das ist eine Aufgabe, die wir Malteserinnen und Malteser übernommen haben“, sagt Cossmann. Sein Team richtet eine Betreuungsstelle im Schulzentrum Misburg ein. Bierzeltgarnituren werden herangeschafft und aufgebaut, Verpflegung wird organisiert. In Zeiten der Pandemie müssen zusätzlich besondere Infektionsschutz- und Hygienemaßnahmen getroffen werden. Angefangen bei notwendigen Namenslisten und Thermometern zur Fiebermessung.
Gegen 14 Uhr ist alles vorbereitet, die ersten Misburger*innen, die nicht in ihre Wohnung können, betreten das Schulzentrum. Namen aufnehmen, Temperatur messen, auf die Masken achten und zum Platz führen – das sind die ersten Aufgaben der Einsatzkräfte des katholischen Hilfsverbandes. Tische und Bänke sind großzügig in der Halle verteilt. Notwendige Abstände müssen gewahrt bleiben. Familien mit Kindern sind dabei, aber auch viele alte Menschen. Und manches Haustier.
Gut 220 Menschen werden von den Maltesern versorgt, mit Getränken, aber auch mit einer Suppe und immer wieder mit aufmunternden Worten. Bei manchen macht der Kreislauf nicht mit, sei es aus Aufregung oder wegen des doch schwülen Wetters: „Diese Menschen haben wir natürlich medizinisch versorgt“, sagt Cossmann. Eine Person aber musste ins Krankenhaus verlegt werden. „Große medizinische Versorgungen sind aber ausgeblieben“, berichtet Cossmann.
Sein Fazit: „Ich bin sehr glücklich, dass wir alle gemeinsam diesen Einsatz so super abgearbeitet und stets extrem professionell und lösungsorientiert Hand in Hand gewirkt haben!“. Vor allem freut ihn für sein ehrenamtliches Team das Lob, dass sie für den Einsatz erhalten haben – sei es von der Berufsfeuerwehr oder dem Gesundheitsamt der Region oder von Oberbürgermeister Belit Onay und Ministerpräsident Stephan Weil, die beide bei den Maltesern vorbeischauten. Doch das größte Lob kam von den betreuten Nachbarn aus Misburg selbst.
Um 22 Uhr schließlich die Entwarnung: beide Fliegerbomben konnten entschärft werden. Die Anwohner*innen kehren in ihre Wohnungen zurück, das Team um Cossmann packt wieder alles zusammen. Schließlich ist es kurz vor Mitternacht. Die letzte Rückmeldung der ehrenamtlichen Helfer*innen der Malteser wird durchgegeben: Heimkehr wohlbehalten erfolgt. Aufatmen: „Alle wieder zu Hause.“
Rüdiger Wala